Judenschule

«Hier geht es zu wie in einer Judenschule». Dieser Satz fällt dann, wenn Lärm und Unruhe verurteilt und als typisch jüdisches Verhalten qualifiziert wird.

Im Jiddischen wird die Synagoge mit dem deutschen Wort Schul bezeichnet, und bereits im Mittelalter gibt es den (neutralen) Begriff Judenschule. Erstmals ist der Begriff für das Jahr 1385 bezeugt; in Hildesheim wurde die Synagoge jodenschole genannt.

Eine Synagoge ist, im Gegensatz zur christlichen Kirche, nie nur ein Gebets- und Andachtsraum, sondern dient als Ort des Gebets, der Versammlung und des gemeinsamen Lernens. Im orthodoxen Gottesdienst beten Männer die Gebete laut vor sich hin, sprechen dabei aber nicht im Chor. Das Stimmengewirr spiegelt die Inbrunst und die Hingabe, mit der die Gebete gesprochen werden. Die Wahrnehmung des Gottesdienstes als Lärm kommt vom Unverständnis der jüdischen religiösen Gebräuche; das laute Beten, das für orthodoxe Juden:Jüdinnen von Leidenschaft zeugt, wird von vielen Christ:innen als unfeierlich und würdelos empfunden.

Die jüdischen Schulen des Mittelalters und der Neuzeit waren oft in den Synagogen untergebracht; dort lernten die Knaben die Tora durch lautes Aufsagen, was wohl auch einen erheblichen Geräuschpegel verursachte. Auch das Lernen der erwachsenen Männer – das Studium der Tora und des Talmud ist für orthodoxe Juden eine lebenslange Beschäftigung – geht nicht immer leise vor sich; im gemeinsamen Lernen werden Textstellen sowie verschiedene Kommentatoren zitiert und lebhaft diskutiert.

In der Moderne erhielt der Begriff Judenschule eine antisemitisch belastete Bedeutung. Die Verbindung des Wortes «Juden-» mit einem anderen Wort (Judenjunge, Judenknecht, Judenmord, Judenfrage, Judenfreund, Judenstaat) hat seit dem Aufkommen des Antisemitismus immer einen abwertenden Beiklang.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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